Zuviel Informatik bei einem Arztbesuch irritiert die Patienten


Informationen für die Praxis

NEW YORK – Wenn Ärztinnen und Ärzte während einer medizinischen Konsultation zu oft auf den PC oder ein Tablet schauen, kann der Patient dieses Verhalten wie einen Mangel an Respekt wahrnehmen und sich irritiert fühlen. In einer Welt mit immer mehr digitalisierten Patientendaten, tritt diese Situation zunehmend auf. Im Jahr 2013 verwendeten 78% der amerikanischen Ärzte* ein Informatiksystem, um die Patientendaten zu erfassen. In einem sehr interessanten Artikel des The Wall Street Journal (TWSJ), der am 15. Dezember 2015 publiziert wurde, wird darauf hingewiesen, dass diese Situation immer häufiger auftritt und problematisch sein kann.

Mangel an visuellem Kontakt

In gewissen Situationen schaut der Arzt dem Patienten nicht mehr in die Augen und bleibt mit seinem Blick auf den Bildschirm fixiert, um Daten zu erfassen, zu wissen welche Fragen er stellen muss oder die Antworten des Patienten zu notieren. In einem Artikel des TWSJ berichtet eine Patientin, dass der Arzt ihr erst am Schluss der Konsultation in die Augen geschaut hat, um sich zu verabschieden.

Man weiss, dass der visuelle Kontakt wichtig ist, um ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zu schaffen.

Gemäss dieser Studie, die im JAMA Internal Medicine im November 2015 erschienen ist, konnte herausgefunden werden, dass die Patienten die Aufmerksamkeit des Arztes als weniger gut einschätzen, wenn er während der Konsultation eine längere Zeit vor dem Bildschirm verbrachte. Eine andere Studie vom Jahr 2014 der Universität von Northwestern hat gezeigt, dass die Ärzte, die zur Aufnahme der Patientendaten ein Informatiksystem verwenden, etwa ein Drittel der Zeit der Konsultation vor dem Bildschirm verbringen.

Einige hilfreiche Ratschläge - POISED

Das Regenstrief Institute and Indiana University School of Medicine in Indianapolis (USA) hat sich zu diesem Thema spezialisiert und hat folgende Ratschläge ausgearbeitet, abgekürzt durch das Akronym POISED. Dies hilft den Ärzten, die Verwendung des Bildschirmes und die Informatik während der Konsultation besser zu verwalten (Abbildung 1).

Abbildung 1: POISED-Schema (nach: Regenstrief Institute and Indiana University School of Medicine in Indianapolis) mit den 5 wichtigen Aspekten Prepare, Orient, Information gathering, Share, Educate, Debrief.


Auf Englisch bedeutet POISED: Prepare, Orient, Information gathering, Share, Educate und Debrief.

- PREPARE (Vorbereitung)
Der Arzt sollte die Patientenakte vor Beginn der Konsultation (und nicht während) erhalten.

- ORIENT (Orientierung)
Zu Beginn der Konsultation sollte der Arzt dem Patienten erklären, wie der Computer während der Konsultation verwendet wird.

- INFORMATION GATHERING (Informationen sammeln)
Man sollte die gesammelten Informationen im Computer festhalten, um zu zeigen, dass man den Patienten ernst nimmt.

- SHARE (Teilen)
Man sollte dem Patienten den Bildschirm zeigen, damit dieser die Informationen kontrollieren und überprüfen kann.

- EDUCATE (Wissensvermittlung)
Der Arzt soll dem Patienten gewisse Grafiken zeigen (z.B. die Entwicklung des Blutdruckes mit der Zeit). Dies erhöht die Interaktion und zeigt den Nutzen der Informatik für die Medizin.

- DEBRIEF (Nachbesprechung)
Der Arzt soll den Patienten fragen, ob er gut verstanden hat, was der Arzt ihm über den Einsatz des Computers in der Medizin erklärt hat.

Diese Ratschläge POISED können helfen, das Vertrauen zwischen den Patienten und den Ärzten in einer immer stärker digitalisierten Zeit zu stärken.

* Der Einfachheit halber wird nur die männliche Form verwendet. Selbstverständlich ist damit auch die weibliche Form gemeint.


© 17. Dezember 2015.

Autor:
Xavier Gruffat, MBA, MSc ETH, Apotheker

Review:
Dr. Patrick Eichenberger, MSc ETH, Fachapotheker FPH in Offizinpharmazie
Nadia Eberle, BA HSG, Senior Consultant PricewaterhouseCoopers

Quellen:
- Text: The Wall Street Journal, Ausgabe vom 15. Dezember 2015.
- Foto: Fotolia.com

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