Mehr Ethik bei klinischen Versuchen gefordert


Von Françoise Tschanz, sda

BERN - Die von multinationalen Pharmaunternehmen in Ägypten vorgenommenen klinischen Versuche verstossen gegen ethische Richtlinien, kritisiert die Organisation Erklärung von Bern. Sie fordert bessere Kontrollen durch Swissmedic.

"Ein Drittel der in Ägypten getesteten Medikamenten werden dort gar nicht zugelassen, während im letzten Februar 57 aktive Versuche erfasst wurden, davon betrafen über die Hälfte Krebsmedikamente", teilte die Erklärung von Bern (EvB) am Mittwoch mit. Oder die Arzneimittel seien so teuer, dass sie sich kaum jemand leisten könne.

In Ägypten sei die Hälfte der Bevölkerung nicht krankenversichert. Die Teilnahme an klinischen Versuchen - die stets Risiken beinhalteten - seien für viele Patienten die einzige Möglichkeit, an eine Behandlungen zu kommen.

Klinische Versuche in politisch instabilen Schwellenländern wie Ägypten, von denen die lokale Bevölkerung danach kaum profitieren könne, verletzen nach Angaben der EvB internationale ethische Standards. Sie würden gegen die Helsinki-Deklaration des Weltärztebundes zu den ethischen Grundsätzen für die medizinische Forschung am Menschen verstossen.

Die Deklaration verlange, dass klinische Tests nur in Ländern durchgeführt werden, in denen ein Zulassungsgesuch gestellt wurde. Ethisch fragwürdig sei zudem, dass in Ägypten auch risikoreiche Frühphasentests vorgenommen würden.

Die EvB fordert die ägyptischen Behörden auf, eine nationale Gesetzgebung und Überprüfungsmechanismen zu schaffen, die den Schutz von Teilnehmenden an klinischen Versuchen gewährleiste.

Den Pharmaunternehmen Roche und Novartis wirft die EvB vor, der Sorgfaltspflicht mit Blick auf das Recht auf Gesundheit nicht nachzukommen.

Roche und Novartis widersprechen

Roche, das derzeit zwölf klinische Studien in Ägypten durchführt, betont dagegen, dass "alle Studien von lokalen ethischen Komitees und vom ägyptische Gesundheitsministerium gebilligt" wurden.

Zudem würden die klinischen Versuche in Übereinstimmung mit der Helsinki-Deklaration sowie gemäss der guten klinischen Praxis (GCP), den international anerkannten Regeln für klinische Studien, durchgeführt, sagte eine Roche-Sprecherin der Nachrichtenagentur sda. Die Richtlinien sähen keine Tests vor in einem Land, in dem keine Pläne für die Zulassung des Arzneimittels bestünden.

Auch ein Sprecher von Novartis sagte, Novartis wende bei seinen klinischen Studien in allen Ländern einen "einheitlichen und internationalen ethischen Standard" an.

Appell an Swissmedic

Die EvB macht jedoch geltend, der Schutz der Versuchsteilnehmenden sei nicht sichergestellt. So werde etwa deren adäquate Nachbehandlung nach den Versuchen nicht gewährleistet. Die EvB fordert daher von der Schweizerischen Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Heilmittel Swissmedic, die ethischen Kontrollen zu verstärken.

Françoise Jaquet, die Verantwortliche bei Swissmedic für klinische Studien, sagte der sda dazu: "Das Ziel der EvB ist gut. Es ist jedoch nicht die Aufgabe von Swissmedic, ethische Kontrollen in andern Ländern als der Schweiz vorzunehmen. Wir haben ganz einfach nicht das Recht dazu."

Patrick Durisch, der Verantwortliche für das Gesundheitsprogramm der EvB, ist dagegen der Auffassung, dass Swissmedic bei Zweifeln und ohne unbedingt Inspektionen vor Ort vorzunehmen, ihre Partnerbehörde in dem betreffenden Land kontaktieren könnte. Das revidierte Heilmittelgesetz werde Swissmedic auch bald das Recht für Interventionen im Ausland geben.

22.06.2016 - SDA

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